Klar, es hätte schlimmer kommen können. Sie hätte andere Menschen verletzen können oder sich selbst. Es hätte gar jemand sterben können. Wie sich schnell herausstellte, gab es «nur» Blechschaden. Trotzdem – oder gerade weil Silvia Müller unter Schock stand und sich unendlich schuldig fühlte – gab sie der Polizei alles zu Protokoll: Dass sie die Ursache für ihren Aussetzer nicht kenne. Dass sie an neuropathischen Schmerzen leide und kürzlich ein Langzeit-EKG habe machen müssen. Dass sie Betablocker fürs Herz nehmen müsse. Die Polizei nahm ihr auf der Stelle den Ausweis weg.
Silvia Müller spürte, wie ihr der Boden unter den Füssen entglitt. Ihr kamen die lange ersehnten Ferien in den Sinn, die sie gebucht hatte und für die sie das Auto respektive den Führerschein brauchen würde. Ausserdem ist sie alleinstehend und kann sich ihren Alltag ohne Auto gar nicht vorstellen.
Einige Tage nach dem Unfall meldet sich Silvia Müller verzweifelt bei uns. Wir erklären ihr, dass sie mit ihren Aussagen einen Prozess ausgelöst hat, den auch wir nicht mehr stoppen können.
Das wird eine verkehrsmedizinische
Begutachtung Stufe 4 zur Folge haben.
Wir zeichnen Frau Müller auf, was als nächstes passieren wird: Dass sie wegen Fahrens unter Medikamenteneinfluss mit einer verkehrsmedizinischen Begutachtung Stufe 4 rechnen und bis dahin ohne Führerschein klarkommen müsse. Um sie optimal durch das Strafverfahren führen zu können, wo wir auf Schuldunfähigkeit plädieren werden, benötigen wir die medizinischen Berichte von Hausarzt und Neurologen. Auch rieten wir unserer Kundin, das EKG zu wiederholen und ihren Allgemeinzustand prüfen zu lassen. Wir empfehlen ihr eine konkrete externe Begutachtungsstelle.
Ein anderes, vor allem finanzielles Problem von Frau Müller dürfte die Reparatur ihres Autos sein. Die Kaskoversicherung wird den Erhalt der Strafakten abwarten und ihren Spielraum ausschöpfen. Silvia Müller muss entscheiden, ob sie den Reparaturauftrag erteilen und die Kosten unter Umständen selber tragen will. Auch wird sie das Auto von der Motorfahrzeugkontrolle prüfen lassen müssen, da am Chassis sicherheitsrelevante Beschädigungen festgestellt worden sind.
Unsere wichtigste Aufgabe aber ist, Silvia Müller detailliert auf die Einvernahme durch die Polizei vorzubereiten. Dort wird sie ihre bereits getätigten Aussagen zwar wiederholen, aber keine weiteren Angaben machen. Nicht dass sie sich noch mehr in Teufelsküche bringt.
Und so entschied das Gericht im Fall Silvia Müller
Wegen «ernsthafter Bedenken an der Fahreignung» wurde Silvia Müller der Führerausweis noch am Unfallort entzogen und später durch das Strassenverkehrsamt zur Abklärung der Fahreignung eine Untersuchung angeordnet. Coop Rechtsschutz vermittelte der Klientin einen Arzt, bei dem sie diese verkehrsmedizinischen Abklärungen erledigte. In seinem Gutachten wird die Fahreignung von Frau Müller bejaht und das Vorliegen eines gesetzlichen Ausschlussgrundes verneint.
Das Strassenverkehrsamt hat die Wiederzulassung als Motorfahrzeugführerin nach knapp drei Monaten mit der Auflage verbunden, dass Frau Müller dem Strassenverkehrsamt unaufgefordert jedes Jahr ein Arztzeugnis ihres behandelnden Kardiologen sowie ihres Neurologen einreicht, das ihre medizinische Fahreignung bestätigt. Da sich unsere Kundin sowieso in regelmässiger ärztlicher Behandlung befindet, wird sie dieser Auflage selbstverständlich nachkommen. Frau Müller war überglücklich, dass Sie nun doch noch mit einem Mietauto in die Ferien fahren konnte.
Im Strafverfahren wurde Frau Müller vom Präsidenten des Strafgerichts vom Vorwurf des Fahrens unter Medikamenteneinfluss freigesprochen. Weil die tatsächliche Unfallursache ungeklärt blieb, musste das Strafverfahren im Zweifel für die Angeklagte eingestellt werden. Die im Strafverfahren durch den Freispruch eingesparten Kosten von mehreren tausend Franken konnte Frau Müller gut für die Mietfahrzeugkosten verwenden. Zudem hat die Kaskoversicherung rückwirkend die Reparaturkosten übernommen. Dieser letztlich positive Falllausgang ist folgenden Faktoren zu verdanken:
- Dank dem klaren Briefing der Coop Rechtsschutz wusste Frau Müller, was vor dem Strafgericht auf sie zukommen wird und wie und was sie auf die Befragung antworten soll.
- Zudem konnte sie die geeigneten medizinischen Unterlagen ans Strassenverkehrsamt weiterleiten, was massgeblich zur Bestätigung der Fahreignung beigetragen hat.
Eines wird Frau Müller jedoch nie mehr tun: Sich nach einem Unfall gegenüber der Polizei in irgendeiner Form zu äussern. Denn: „Selbst der Fisch würde nicht gefangen, wenn er sein Maul hielte.“ [Amerikanisches Sprichwort].
Hoffentlich befindet sich Frau Müller nie wieder in einer solchen Situation. Wenn doch, wird sie der Polizei mitteilen, dass sie im Moment keine Aussagen macht. Anschliessend meldet sie sich direkt bei der Coop Rechtsschutz zur Besprechung der weiteren Vorgehensweise.
*Name geändert